Orso I. Particiaco

Bleisiegel des Dogen. Es wurde vor 2010 in der Lagune entdeckt und gelangte auf den illegalen Antiquitätenmarkt. Die Umschrift lautet „+VRS / VS DVX / VE(NE)ICI / ARVM“. Die schlechter erhaltene und schwerer lesbare Schrift ließ sich als „R/ XPE SAL(VA VE)(NE)CIAS“ wahrscheinlich machen. Von den drei als „Ursus“ bekannten Dogen kam, nachgewiesen anhand von zeitgenössischen Bullen, vor allem aber von Münzen, nur die Zeit Ursus’ I. in Frage. Eine selten gebrauchte Formel wie „Christe salva Venecias“ war weder ein Jahrhundert vor Ursus I. in Gebrauch, also zur Zeit des Orso Ipato, noch in der Zeit Ursus’ II. (912–932).[1]

Orso I. Particiaco, in den zeitlich näheren Quellen Ursus Particiacus oder Ursus Paureta, später auch Participazio oder Partecipazio († 881 in Venedig), war, folgt man der sogenannten Tradition, wie die staatlich gesteuerte Geschichtsschreibung der Republik Venedig häufig genannt wird, deren 14. Doge. Er regierte von 864 bis 881 und führte die Unabhängigkeitspolitik gegenüber Byzanz, die sein Vorgänger begonnen hatte, zu einem ersten Abschluss.

Ab 866 kämpfte er gegen slawische Piraten an der Ostküste der Adria, aber auch gegen Sarazenen, die sich in Süditalien festgesetzt hatten. Bei Salvore vor Istrien erlitt die venezianische Flotte 872 eine Niederlage. Angriffe der Sarazenen in der oberen Adria wurden durch Kämpfe gegen das Emirat von Tarent ausgelöst – nun drangen Sarazenen von Kreta her bis nach Grado vor. Sie wichen jedoch der venezianischen Flotte aus und plünderten stattdessen Comacchio. Die Narentaner, slawische Piraten, blieben jedoch unbesiegt. Gegenüber dem Karolinger Karl III. konnte Ursus vertraglich die seit 840 bestehenden Bestimmungen des Pactum Lotharii mit seiner Grenzziehung verlängern. Diese Erneuerung der Grenzziehung unterstrich Venedigs Selbstständigkeit gegenüber dem westlichen Kaiserreich. Darüber hinaus dehnte der neue Vertrag seine Rechte auf das gesamte Reich Karls aus.

Ursus erhielt vom byzantinischen Kaiser um 878 einen hohen Ehrentitel, was mit der Erneuerung des 840 abgeschlossenen Pactum Lotharii kontrastierte, bei dem es sich um einen eigenständigen Vertrag handelte, ohne dass Byzanz dabei noch eine Rolle spielte.

Auf Ursus und seinen mitherrschenden Sohn Iohannes geht ein wenn auch fruchtloses Verbot des Handels mit Sklaven zurück.

Erfolgreicher hingegen war die dauerhafte Einrichtung der sechs venezianischen Bistümer, nämlich derjenigen von Caorle, Eraclea, Iesolo, Malamocco (eigentlich Metamaucum), Olivolo und Torcello im Rahmen des Patriarchats Grado. Dessen Patriarchen zwang Ursus, auch gegen päpstlichen Widerstand, zur Flucht. Schließlich setzte er sogar die Anerkennung seiner in Abwesenheit eingesetzten Bischöfe durch, obwohl er mit der Exkommunikation bedroht worden war. Derartige Einflussnahmen in der kirchlichen Sphäre wurden für die Dogen selbstverständlich und zugleich ein Mittel, die Hausmacht zu festigen, indem Verwandte und Parteigänger eingesetzt wurden. Die Heftigkeit der Kämpfe hing damit zusammen, dass das Patriarchat Grado, dessen Grenzen in Italien mit denen der dortigen Großreiche zusammenfielen, zum Einfallstor für deren Politik zu werden drohte. Dies wiederum hing damit zusammen, dass Grado seine Selbstständigkeit gegen die Ansprüche des Patriarchen von Aquileia verteidigen musste, das aus der Entstehung Grados eine Obödienz abzuleiten versuchte. Damit aber hätten die venezianischen Bistümer einen der karolingischen Großen oder später einen Reichsfürsten als geistlichen Oberherrn erhalten.

Ursus ließ Sumpfgebiete um Rialto trockenlegen und förderte die Ansiedlung in Dorsoduro. Er wurde in der Kirche San Zaccaria bestattet. Ihm folgte sein Erstgeborener Iohannes im Amt.

  1. Michele Asolati: Una bulla plumbea del Doge Orso I Particiaco (864–881), in: Rivista Italiana di Numismatica 117 (2016) 35–54 (academia.edu).

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